Am Anfang von Happy Periods stand eine Tragödie. Während des Unterrichts in einem Dorf unweit von Tiruvannamalai erhielt ein zwölfjähriges Mädchen ihre erste Monatsblutung und erschrak. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr geschah. Ohne Erklärung befahl ihr die Lehrerin, in die Ecke zu sitzen und nicht darüber zu reden. Das Mädchen glaubte, dass ihr gerade etwas Schreckliches widerfahre – immerhin lief Blut aus ihrem Körper, und das war offenbar schlimm genug, dass es den Erwachsenen die Stimme verschlug.
Eine traurige Gewissheit beschlich sie: Sie war todkrank und würde sterben. Um ihr vermeintliches Leiden zu verkürzen, trank sie Gift und starb.
Der entsetzliche Tod dieses Mädchens machte uns tief traurig, aber auch wütend. Denn er wäre vermeidbar gewesen und ist in seiner Schrecklichkeit ein extremes Beispiel für die Folgen der Tabuisierung rund um Menstruation und Monatshygiene. Diese Tabuisierung führt dazu, dass 48% der Mädchen in Indien nichts von der Periode wissen, wenn sie sie zum ersten Mal haben. Die Stigmatisierung dieses natürlichen Vorgangs ist für Frauen ein Gesundheitsrisiko: Wenn das Gespräch darüber derart beschämend ist, gibt es bei Fragen oder Problemen weder Antworten noch Hilfe. Und wem vermittelt wird, dass der eigene Körper immer wieder «unrein» und «abstossend» ist, dem wird körperliche Autonomie versagt und Minderwertigkeit vermittelt.
Dieser Suizid war für uns ein Weckruf. Wir wollten die unerträgliche Situation nicht länger dulden. Unser Ziel war, in den Primarschulen ein Angebot zu schaffen, wo Mädchen und junge Frauen über Menstruation, Monatshygiene und den Umgang mit Schmerzen aufgeklärt werden und ein enttabuisierender Dialog stattfinden kann. Das umzusetzen, war allerdings gar nicht so einfach, denn der Widerstand gegen unser Vorhaben folgte unverzüglich und heftig.
Deshalb integrierten wir das Menstrual Hygiene Awareness Project in die bei den Schulen sehr beliebte Mobile Bibliothek: Wo Letztere hinfährt, taucht früher oder später auch das neue Angebot auf. Das eine ohne das andere gibt es nicht. Anfangs nahmen die Schulen
das eher zähneknirschend in Kauf. Mittlerweile kommt die Bewusstseinsbildung aber gut an, und es gibt sogar Schulen, die von sich aus danach fragen. Das ist für uns ein grosser Erfolg.
Für die Schulungen kommen die Mädchen in einem Raum zusammen und hören erst mal zu, während eine Sozialarbeiterin oder Krankenpflegerin von Regenboog eine Präsentation hält. Darin wird ihnen die weibliche Anatomie erklärt, was mit ihrem Körper während der Periode passiert, wie sie Schmerzen lindern und Blutungen auffangen können. Danach können sie Fragen stellen, ihre Sorgen und – wer schon welche hat – ihre Erfahrungen teilen. Meist sind die Mädchen anfangs sehr zurückhaltend und angespannt. Aber wenn sich jemand mal vorgewagt hat, folgen die anderen erleichtert, und es kommt häufig zum beseelten Austausch.
Um die Mädchen weiter zu unterstützen, haben wir eigens ein kleines Handbuch erstellt. Darin sind die wichtigsten Informationen enthalten. Indem die Jugendlichen dieses Büchlein mit nach Hause nehmen, tragen sie das Gespräch über die Menstruation und die Enttabuisierung auch in ihre Familien und Dörfer. Natürlich waren Angehörige deswegen auch schon irritiert. Wir erhalten aber auch sehr viel Anerkennung und Wertschätzung. Zudem steht den Mädchen bei Fragen und Problemen rund um die Periode auch die Notfallhotline zur Verfügung, die wir vor einiger Zeit für Patient:innen der Mobilen Klinik eingerichtet haben.
Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir mit dem Menstrual Hygiene Awareness Project einen konkreten Beitrag zur Entstigmatisierung des weiblichen Körpers leisten und junge Frauen dazu ermächtigen können, einen selbstbewussten und gesunden Umgang mit ihrem Körper zu haben.
Text: Madhan Mohan
Aus dem Englischen übersetzt von Silvan Diener.