Madhan und das Regenboog-Team erhalten den „Governor’s Award 2023“

Madhan und das Regenboog-Team erhalten den „Governor’s Award 2023“

Ein Teil des Regenboog-Teams feiert vor der Zentrale den Erhalt des Governor’s Awards.

Am 26. Januar 2024, dem Indischen Tag der Republik, wurde Madhan Mohan vom Gouverneur des Bundesstaats Tamil Nadu für mit dem „Governor’s Award“ ausgezeichnet. Für sein persönliches Engagement in den Bereichen Soziales, Bildung und Umweltschutz erhielt er neben der Ehrung einen Preis von ₹200’000.-, die er wiederum in den Projekten einsetzen möchte. Er hofft weiter, dass die Publizität rund um den Award dabei helfen wird, weitere inländische Spenden anzuziehen.

Videoaufzeichnung der Preisverleihung durch den Gouverneur in Chennai.

Happy Periods –  Selbstbewusstsein fördern statt stigmatisieren, Madhan erzählt

Happy Periods – Selbstbewusstsein fördern statt stigmatisieren, Madhan erzählt

Was macht die Projekte unserer Partnerorganisation Regenboog India Foundation so besonders? Für uns sind es die innovative Kraft und das beständige Bestreben des Regenboog-Teams, nach neuen Wegen zu suchen, um auf wirksame Weise noch mehr Menschen noch besser zu einem selbstbestimmten Leben zu befähigen. Ein Beispiel dieser Kraft ist das Projekt Happy Periods, eine Initiative zur Bewusstseinsbildung rund um Menstruation und Monatshygiene.

Am Anfang von Happy Periods stand eine Tragödie. Während des Unterrichts in einem Dorf unweit von Tiruvannamalai erhielt ein zwölfjähriges Mädchen ihre erste Monatsblutung und erschrak. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr geschah. Ohne Erklärung befahl ihr die Lehrerin, in die Ecke zu sitzen und nicht darüber zu reden. Das Mädchen glaubte, dass ihr gerade etwas Schreckliches widerfahre – immerhin lief Blut aus ihrem Körper, und das war offenbar schlimm genug, dass es den Erwachsenen die Stimme verschlug.

Eine traurige Gewissheit beschlich sie: Sie war todkrank und würde sterben. Um ihr vermeintliches Leiden zu verkürzen, trank sie Gift und starb.

Der entsetzliche Tod dieses Mädchens machte uns tief traurig, aber auch wütend. Denn er wäre vermeidbar gewesen und ist in seiner Schrecklichkeit ein extremes Beispiel für die Folgen der Tabuisierung rund um Menstruation und Monatshygiene. Diese Tabuisierung führt dazu, dass 48% der Mädchen in Indien nichts von der Periode wissen, wenn sie sie zum ersten Mal haben. Die Stigmatisierung dieses natürlichen Vorgangs ist für Frauen ein Gesundheitsrisiko: Wenn das Gespräch darüber derart beschämend ist, gibt es bei Fragen oder Problemen weder Antworten noch Hilfe. Und wem vermittelt wird, dass der eigene Körper immer wieder «unrein» und «abstossend» ist, dem wird körperliche Autonomie versagt und Minderwertigkeit vermittelt.

Dieser Suizid war für uns ein Weckruf. Wir wollten die unerträgliche Situation nicht länger dulden. Unser Ziel war, in den Primarschulen ein Angebot zu schaffen, wo Mädchen und junge Frauen über Menstruation, Monatshygiene und den Umgang mit Schmerzen aufgeklärt werden und ein enttabuisierender Dialog stattfinden kann. Das umzusetzen, war allerdings gar nicht so einfach, denn der Widerstand gegen unser Vorhaben folgte unverzüglich und heftig.

Deshalb integrierten wir das Menstrual Hygiene Awareness Project in die bei den Schulen sehr beliebte Mobile Bibliothek: Wo Letztere hinfährt, taucht früher oder später auch das neue Angebot auf. Das eine ohne das andere gibt es nicht. Anfangs nahmen die Schulen
das eher zähneknirschend in Kauf. Mittlerweile kommt die Bewusstseinsbildung aber gut an, und es gibt sogar Schulen, die von sich aus danach fragen. Das ist für uns ein grosser Erfolg.

Für die Schulungen kommen die Mädchen in einem Raum zusammen und hören erst mal zu, während eine Sozialarbeiterin oder Krankenpflegerin von Regenboog eine Präsentation hält. Darin wird ihnen die weibliche Anatomie erklärt, was mit ihrem Körper während der Periode passiert, wie sie Schmerzen lindern und Blutungen auffangen können. Danach können sie Fragen stellen, ihre Sorgen und – wer schon welche hat – ihre Erfahrungen teilen. Meist sind die Mädchen anfangs sehr zurückhaltend und angespannt. Aber wenn sich jemand mal vorgewagt hat, folgen die anderen erleichtert, und es kommt häufig zum beseelten Austausch.

Um die Mädchen weiter zu unterstützen, haben wir eigens ein kleines Handbuch erstellt. Darin sind die wichtigsten Informationen enthalten. Indem die Jugendlichen dieses Büchlein mit nach Hause nehmen, tragen sie das Gespräch über die Menstruation und die Enttabuisierung auch in ihre Familien und Dörfer. Natürlich waren Angehörige deswegen auch schon irritiert. Wir erhalten aber auch sehr viel Anerkennung und Wertschätzung. Zudem steht den Mädchen bei Fragen und Problemen rund um die Periode auch die Notfallhotline zur Verfügung, die wir vor einiger Zeit für Patient:innen der Mobilen Klinik eingerichtet haben.

Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir mit dem Menstrual Hygiene Awareness Project einen konkreten Beitrag zur Entstigmatisierung des weiblichen Körpers leisten und junge Frauen dazu ermächtigen können, einen selbstbewussten und gesunden Umgang mit ihrem Körper zu haben.

Text: Madhan Mohan
Aus dem Englischen übersetzt von Silvan Diener.

Madhans Besuch und Präsentation in der Schweiz

Madhans Besuch und Präsentation in der Schweiz

Am Sonntag, 6. November 2022, wurden im Kafi Stadtmuur in Winterthur rund 50 Spender:innen und Interessierte von Madhan persönlich über die aktuellen Entwicklungen in den Projekten ins Bild gesetzt. Seine Präsentation, die anschliessenden Gespräche und das indische Essen waren eine besondere und eindrückliche Gelegenheit, ganz direkt mit den Projekten in Indien in Berührung zu kommen. Madhan reiste Anfang Dezember wieder nach Indien zurück.

Wenn Sie den Austausch mit Madhan verpasst haben und sich über unsere Newsletter hinaus detailliert über den Stand der Projekte informieren möchten, empfehlen wir den Jahresbericht der Regenboog India Foundation auf unserer Webseite.

Wir freuen uns sehr darüber, dass die Projekte in den vergangenen Jahren laufend gewachsen sind und dadurch eine grössere Wirkung erzielen. Gleichzeitig wächst damit auch der Bedarf an Spendengeldern. Umso dankbarer sind wir für Ihre grosszügige und kontinuierliche Unterstützung. Denn die wichtige Arbeit der Regenboog India Foundation bleibt nur dank Ihrer Spende möglich. Wenn Sie zudem weitere Personen auf uns aufmerksam machen möchten, sind unsere Postkartensets und Geschenkurkunden, die Sie über unsere Webseite bestellen können, eine schöne und sinnvolle Möglichkeit.

Lassen Sie sich von Madhan persönlich informieren

Lassen Sie sich von Madhan persönlich informieren

Madhan Mohan, unser Projketleiter in Südindien, wird im November 2022 bei uns in der Schweiz sein.

Eine Chance, durch ihn in Wort und Bild zu erfahren

  • wo unsere Projekte jetzt stehen
  • was diese so besonders macht
  • worin die grössten Herausforderungen bestehen
  • wie seine Visionen und Zukunftsplänen aussehen

Für unser leibliches Wohl sorgt Fredi Bresch mit einem leckeren indischen Buffet.

Sonntag, 6. November 2022, 17 – 20 Uhr

Kafi Stadtmuur, Holderplatz 4, Winterthur

Kosten: Fr. 35.– inkl. Nachtessen

 

Informationen und Anmeldung bis 1.11.2022

info@arunachala-rising-sun.ch, 052 222 78 22

Verein ARS, Weinbergstrasse 89, 8408 Winterthur

Wie Bildung ein ganzes Dorf verändert und Kinderehen verhindert

Wie Bildung ein ganzes Dorf verändert und Kinderehen verhindert

Die von ARS unterstützen Projekte sind klein, aber wirkungsvoll. Sie sind eng miteinander verwoben, das macht sie effizient und effektiv. Ein Beispiel dafür, wie armutsbetroffene Menschen Schritt um Schritt in eine selbstbestimmte Zukunft begleitet werden, ist die junge Frau Sujatha aus dem Dorf Ayyampalayama Pudhur.

Nur etwas ein Kilometer vom Büro der Regenboog India Foundation entfernt, liegt Ayyampalayama Pudhur. Neben ein paar wenigen kleinen Betonhäusern bewohnen die rund 600 Einwohner*innen dieses sehr ärmlichen Dorfes meist Hütten mit Wellblechdächern. Ihren bescheidenen Lebensunterhalt verdienen sich die Leute mit Hausieren, Wahrsagen und Hellsehen. Und auch wenn die Siedlung nicht sehr abgelegen ist, so leben die Menschen doch abgeschirmt vom Rest der Gesellschaft. Vielleicht weil es schon immer so war oder weil sie von anderen gemieden werden, begegnet dieses Dorf allen Fremden mit Argwohn, hält äussere Einflüsse fern und lebt nach seinen eigenen Gesetzen. Dazu gehört, dass Mädchen aus der Schule genommen und verheiratet werden, sobald sie die Pubertät erreichen. 

Zumindest war das so, bis im Mai 2019 eine grosse Dürre das Dorf in arge Not brachte. Die Regenboog India Foundation hatte zuvor mehrfach versucht, eine Abendschule für die über hundert Kinder und Jugendlichen in Ayyampalayama einzurichten, und prallte damit immer wieder ab. Doch dann versiegte der Brunnen im Dorf. Die umliegenden Gemeinden teilten ihr Wasser nicht mit dem aus ihrer Sicht randständigen Ayyampalayama, und so waren die Einwohner*innen gezwungen, Trinkwasser von einem Bestattungsplatz zu nehmen, wo Verstorbene unter freiem Himmel kremiert werden. Sie suchten daraufhin Hilfe bei Madhan und seinem Team. Unter der Bedingung, dass Regenboog im Dorf eine Abendschule eröffnen dürfe, sagte er zu und sorgte postwendend dafür, dass ein neuer, tieferer Brunnen gegraben wurde.

Die Unterstützung durch Regenboog während der Trockenheit schaffte Vertrauen, das bald Früchte tragen würde. Im August 2019 öffnete die neu gegründete Abendschule ihre Tore. Kurz darauf war es möglich, den ersten jungen Mann aus dem Dorf über das Educational Sponsorship Programm bei seinem Studium finanziell zu unterstützen. Was für die Familien von Ayyampalayama vorher schlicht unvorstellbar war, nämlich dass ihre Söhne eine gute Ausbildung machen und ein besseres Auskommen haben könnten, rückte in greifbare Nähe.

Während all dieser Zeit suchte Regenboog im Dorf vergeblich nach einer jungen Frau, die sie ebenfalls bei einer höheren Ausbildung unterstützen könnten. Nur so, glauben sie, würden die unerträglichen Kinderehen verhindert werden. Denn für die meisten Familien haben die Söhne Priorität. Alles, was an Ressourcen verfügbar ist, wird in sie investiert, während die Mädchen ungebildet und chancenlos bleiben. Angesichts der realen wirtschaftlichen Not lässt sich diese tief verankerte Mentalität am ehesten verändern, wenn die Eltern in der Ausbildung der Tochter eine realistische und attraktivere Alternative finden, als sie früh zu verheiraten.

Vor ein paar Monaten kam dann die achtzehnjährige Sujatha auf Regenboog zu. Über das Wirken von Madhan und seinem Team hatte sie dank ihrer kleinen Schwester Susi, die die Abendschule in Ayyampalayama besucht, viel gehört. Sujathas Eltern hatten ihr erlaubt, bis zur zwölften Klasse zur Schule zu gehen. Und jetzt hegte sie den Wunsch, an einer Fachhochschule die Ausbildung zur Krankenpflegerin zu machen. Für Madhan und sein Team war das die lang ersehnte Chance. Nach Rücksprache mit den Eltern wurde Sujatha im Educational Sponsorship Programm aufgenommen.

Diesen Frühling hat Sujatha ihr Studium in Mylapore begonnen und ist damit die erste Frau aus dem Dorf, die diesen Weg einschlagen konnte. Diese Wendung hat auch in den umliegenden Siedlungen grosses Aufsehen erregt, die Ayyampalayama sonst so geringschätzen. Natürlich ist die Aussicht auf eine selbstbestimmte Zukunft durch eine gute Ausbildung für Sujatha persönlich ein grosses Glück. Gleichzeitig hilft es ihrer ganzen Familie, der lähmenden Armut zu entkommen. Und letzten Endes wird diese Erfolgsgeschichte auch weitere Familien in Ayyampalayama dazu bewegen, ihre Töchter nicht aus der Schule zu nehmen und sie zu verheiraten, sondern sie den gleichen Weg beschreiten lassen wie Sujatha.